Portrait

LENNART ETSIWAH – ein Modefotograf mit eigenem Stil

Es ist ein verregneter Winternachmittag in Prenzlauer Berg. Im Café AN EINEM SONNTAG IM AUGUST drängen sich die Gäste, trinken warme Getränke, rauchen und unterhalten sich angeregt. Aus der Anlage dröhnt Raggae-Musik. Nicht die besten Bedingungen für ein Interview. LENNART ETSIWAH scheint der Trubel um ihn herum jedoch nicht zu stören. Ruhig und gut überlegt formuliert der Modefotograf seine Sätze. „Ich musste damals meinen eigenen Weg gehen”, sagt er lächelnd in Bezug auf sein abgebrochenes Abitur. In der Tasse vor ihm dampft heißer Kaffee, daneben qualmt eine Zigarette im Aschenbecher.

LENNART ETSIWAH, das wird schnell klar, weiß, was er will und was nicht. Seine Entscheidungen trifft er selten spontan. So ist auch der Entschluss, sein Abitur zwei Wochen vor der ersten Prüfung zu schmeißen von langer Hand geplant. Den Segen seines Vaters hat er. Diese Überlegtheit soll sich später fortsetzen: Seinem Kommunikationsdesign-Studium an der Hoch- schule für Angewandte Wissenschaft Hamburg geht ein Jahrespraktikum beim Medienbüro Hamburg voraus und die Gewissheit, dass mit Fotoreportagen kein Geld mehr zu verdienen ist. In der Modebranche allerdings schon, der er anfänglich noch skeptisch gegenübersteht. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit ihr kann die Zweifel zerstreuen, es reizt ihn die Welt zu sehen und das gehört als erfolgreicher Modefotograf zum Alltag.

Ästhetisch hat LENNART ETSIWAH eine klare Vision. Er steht auf Minimalismus. Nichts soll ablenken von den gezeigten Kleidern. Seine Arbeiten erinnern an die Ausdrucksstärke PETER LINDBERGHS, genauer: an das Portrait der jungen KATE MOSS, die der deutsche Fotograf in einer blauen Latzhose ablichtete. Beim Anblick von LINDBERGHS Bildern hat man das Gefühl zu versinken. Für einen Moment ist man gebannt von der Schönheit, die von ihnen ausgeht. LENNARTS Bilder strahlen eine ähnliche Aura aus. Weiches Licht verschwindet in der Unschärfe des Hintergrundes und lenkt den Blick gekonnt auf die starke, schnörkellose Pose und die Schönheit des Models. LENNART erzählt mit seinen Fotos eine Geschichte, die über das Gezeigte hinausgeht. Er lässt diese jedoch immer offen, wodurch die Fantasie des Betrachters angeregt wird. Auf diese Weise verleiht LENNART den Bildern eine für Modefotografie untypische Tiefe.

Genauso durchdacht ist seine Arbeitsweise. Von Markenfetischen bei Kameras hält LENNART nichts. „Eine Kamera trägt zu einem Foto nicht viel bei, das meiste geht vom Fotografen aus”, sagt der 27-Jährige. Seine erste Kamera war eine OLYMPUS OM 20, eine Spiegelreflexkamera, die er seinem Freund für 50 Mark abkaufte. Inzwischen benutzt er mehrere verschiedene Modelle. Auch die Frage, ob es besser sei analog oder digital zu fotografieren, betrachtet er weniger dogmatisch. Er selbst fotografiert am liebsten analog, wenn es die Zeit zulässt. Anschließend scannt er die Negative ein und bearbeitet diese auf dem PC. Auf diese Art bekommen die Fotos einen eigenen Charakter und gleichzeitig einen Wiedererkennungswert.

Den eigenen Stil zu finden, darum geht es LENNART auch privat. Entsprechend macht er sich nicht viel aus Trends. Im Klub trägt er auch mal gerne seine blaue Schlafanzughose, wenn er sich danach fühlt. LENNART hebt mit seinem Äußeren seine Stimmung hervor. „Wenn es mir gut geht, will ich das meiner Umgebung zeigen“, sagt er. Seiner Meinung nach ist es für die meisten Menschen einfacher in eine andere Persönlichkeit hineinzuschlüpfen, als ihre eigene zu entdecken. Und so kopieren viele oft Kleidung und versuchen jemand zu sein, der sie gar nicht sind.

Was sein späteres Berufsleben anbelangt, hat LENNART klare Vorstellungen. Statt für große Hochglanz-Zeitschriften wie die Vogue, möchte er lieber für kleinere Independent-Magazine arbeiten. An Indie-Magazinen wie I LOVE YOU schätzt LENNART, dass sie mehr Platz zum Experimentieren lassen und einem weniger strikten Raster folgen. Während seines Studiums arbeitete LENNART bereits an verschiedenen Produktionen in Deutschland und Europa mit. Das Geld, das er damit verdiente, steckte der Fotograf in eigene künstlerische Projekte, die nicht immer etwas mit Mode zu tun hatten. So ist er Autor eines Fotobuches, welches das Zusammenleben und die Trennung zweier Menschen thematisiert.

Sein nächstes Ziel hat LENNART bereits vor Augen: Er will seinen Master in New York City machen. Während eines dreiwöchigen Urlaubs hat er sich in die Stadt verliebt, sie in sich aufgesaugt und, wie so viele andere vor ihm, beschlossen wiederzukommen. Für ihn ist die Stadt kein Klischee, es gibt wirklich diese besondere Spannung und die unendlichen Möglichkeiten. „Man stellt einen Wunsch an das Universum und der wird in New York gleich erfüllt“. Die Leute dort würden einfach mehr an einen glauben. Nicht das er das nötig hätte.

MARIE-THERESE HAUSTEIN würde am liebsten jeden Tag ein Kleid von VLADIMIR KARALEEV tragen. Nachts träumt sie von New York.

Foto: DAVID BÖCKMANN