Sounds

Mouca ist ein DIY-Musik-, Poesie-, und Video-Label, das in Porto und Berlin beheimatet ist. Seit Sommer 2012 haben Augusto Lima und Charlotte Thießen fleißig Kassetten überspielt, auf denen neben neuen, aufregenden Bands auch  eine Vielzahl befreundeter, nicht minder spannender Künstler_innen zu finden sind. Denn darum geht es bei Mouca: Musik zu unterstützen, die den beiden Musikliebhaber_innen am Herzen liegt. Für die Zukunft haben Augusto und Charlotte sich vorgenommen, die Bande zwischen Berlin und Porto noch weiter zu stärken. Auf dem zweiten Cartouche-Tape haben sie ein weiteres Mal Menschen und Musik aus verschiedenen Kontexten zusammengebracht.

Tracklist

 1. The Courtneys – 90210

2. The Anna Thompsons – Fuck You

3. The Yawns – Summers Wasted

4. Free Time – Just One

5. Delta Love – I Swear

6. Ageing Children – I’m Gonna Get My Dog

7. Islet – Triangulation Station

8. Manors – No One Told You

9. Skiing – Hiddensee

10. Lullatone – Splitting a Banana Split

11. Las Kellies – Golden Love

12. Advance Base – Love Goes Home To Paris In The Spring (The Magnetic Fields cover)

Links: Bandcamp / Mouca-Homepage / Mouca-Facebook

Editorial

Liebe LeserInnen,

es ist vollbracht. Nach intensiver Vorbereitung präsentieren wir Euch die erste Ausgabe des CARTOUCHE-Magazins. Das Heft ist eine Erweiterung unseres Blogs www.cartouche-blog.de, den wir vor einem Jahr gegründet haben, um Bands und DesignerInnen eine Plattform zu geben, die in den deutschsprachigen Medien zu kurz kamen oder ganz und gar vergessen wurden.

Ein wichtiger Bestandteil von CARTOUCHE sind Interviews, in denen wir mit unseren HeldInnen darüber sprechen, was sie bewegt. Ein immer wiederkehrendes Thema ist dabei die digitale Revolution. Wie gehen KünstlerInnen mit ihr um? Nutzen sie die Digitalisierung für ihre Zwecke oder fühlen sie sich von ihr bedroht? Chillwave Pionier CHAZ BUNDICK, das Noise-Duo CIVIL CIVIC und OWEN ASHWORTH standen uns auf unserem Blog zu diesen Fragen Rede und Antwort.

Doch warum ein Heft? Hat Papier nicht längst ausgedient? Ja und Nein. Es stimmt, dass sich Papierprodukte in Sachen Aktualität mit Internetblogs nicht messen können. Das müssen sie auch gar nicht, schließlich haben gedruckte Magazine ganz andere Stärken. Da wäre zum einen die Haptik. Gibt es etwas Schöneres, als in der neuesten Ausgabe seines Lieblings-Magazins zu blättern, dabei das Papier zu fühlen und den Geruch von Druckerschwärze in der Nase zu haben? Solche Erlebnisse, bei denen mehrere Sinne gleichzeitig reagieren, können Blogs nicht bieten. Zum anderen widmet man einem Magazin viel mehr Zeit. Angesichts der teilweise umfangreichen Länge unserer Texte war die Entscheidung ein Heft zu machen also pragmatischer Natur. Schließlich wollen wir, dass gelesen wird, worüber wir schreiben.

Denn unsere Texte sind uns wichtig. Unter anderem finden sich in dieser Ausgabe Interviews mit der Newcomer-Band WIDOWSPEAK, die in ihrer Musik den Geist alter Westernfilme beschwören und mit OWEN ASHWORTH, der nicht mehr unter dem Namen CASIOTONE FOR THE PAINFULLY ALONE unterwegs ist und Anfang Mai das erstes Album seines neuen Projekts ADVANCE BASE veröffentlicht. PAUL SOLBACH geht in seinem Text der Frage nach, warum Mainstream-Musik früher besser war. JONATHAN JARZYNA und JJ WEIHL haben für uns die Bands der Stunde aus Berlin auf einer CD versammelt und MARIE-THERESE HAUSTEIN portraitiert den Designer VLADIMIR KARALEEV.

Wir wünschen Euch viel Spaß beim Durchblättern, Lesen und Hören.

Die Redaktion von CARTOUCHE.

//Gespräche

Geht es um Lo-Fi-Musik, fällt früher oder später der Name OWEN ASHWORTH. Auf allen Alben, die der 34-jährige Musiker aus Chicago unter dem Namen CASIOTONE FOR THE PAINFULLY veröffentlicht hat, zelebrierte er die Ästhetik simpelster Aufnahmetechniken. Mit CARTOUCHE sprach ASHWORTH über die Vorzüge von Lo-Fi-Musik, seine musikalischen Vorbilder und sein neues Projekt ADVANCE BASE.

OWEN, immer mehr Künstler meiden professionelle Tonstudios. Sie ziehen es vor, ihre Musik in den eigenen vier Wänden mit einem Kassettenrekorder aufzunehmen. Low Fidelity scheint der neue Pop zu sein. Wie würdest du diese Entwicklung einschätzen?

OWEN ASHWORTH: Lo-Fi soll derart populär sein? Das glaube ich kaum. Hi-Fi ist immer noch State of the Art. Ich würde auch sagen, dass Lo-Fi-Musik das genaue Gegenteil von Pop ist!

Anders gefragt: Seit Beginn des digitalen Zeitalters scheint die Zahl selbst produzierter Alben gestiegen zu sein. Könnte dies Ausdruck einer Ablehnung der Musikindustrie sein?

Das ist schwer einzuschätzen. Subkulturen bedienen sich oft einer revolutionären Rhetorik. In den meisten Fällen geht es aber doch nur darum, cooler zu sein als der Rest. Sieh mich an: Mir geht es in erster Linie darum, mit meiner Arbeit Geld zu verdienen. Dennoch finde ich es gut, wenn Leute es schaffen, etwas selbst auf die Beine zu stellen. Ich hoffe, dass sich immer mehr Künstler dazu inspiriert fühlen, ihre Musik selbst aufzunehmen, zu veröffentlichen und zu verbreiten. Produzenten, Labels und Journalisten sind nicht ansatzweise so wichtig, wie sie es immer von sich behaupten.

Was magst du an Lo-Fi-Musik?

Ich liebe den Sound einfacher Aufnahmetechniken. Ganz besonders mag ich es Fehler zu hören oder Gegenstände, die sich zum Zeitpunkt der Aufnahme gerade zufällig in der Nähe des Mikrofons befanden. Quietschende Stühle zum Beispiel. An zeitgenössischer Hi-Fi-Musik stört mich ihr Klang. Es gibt da sicherlich Ausnahmen, aber ein Großteil der im Studio produzierten Popmusik klingt schlicht zu synthetisch.

All deine Alben teilen eine ähnliche Ästhetik. Warum hast du dich entschieden, Lo-Fi aufzunehmen?

Ich hatte ganz einfach nicht genug Geld, um ein Studio zu mieten und einen Ton-Ingenieur zu bezahlen. Deshalb musste ich versuchen aus dem Equipment, das mir zur Verfügung stand, das beste rauszuholen. Ich hätte natürlich Geld sparen können und jemanden anheuern können, der meine Musik so klingen lässt wie im Radio. Das Resultat hätte ich aber niemals hören wollen. Also habe ich das Geld lieber gespart und mein eigenes Ding gemacht. Das entsprach mehr meiner Natur. Ich bin ein Sturkopf und mochte es immer schon, alles selbst zu machen.

Bist du ein Fan DANIEL JOHNSTONS?

Das bin ich in der Tat. Die Songs, in denen er Klavier spielt, mag ich besonders. Bis mir Bekannte erzählten, dass sie meine Musik an DANIEL JOHNSTON erinnert, kannte ich ihn allerdings nicht. CASS, ein alter Schulfreund, besaß eine Kopie seines Albums Hi, How Are You? auf Kassette. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie er mir das Album in seinem Pick-Up vorspielte. Was ich da hörte, hat mich umgehauen. Zu dem Zeitpunkt nahm ich gerade das zweite Album meines Projekts CASIOTONE FOR THE PAINFULLY ALONE (CFTPA) auf.

Hat dich seine Musik inspiriert?

Die Bedeutung DANIEL JOHNSTONS für meine Arbeit ist sicherlich nicht zu unterschätzen. Die Person, die mich aber noch mehr inspiriert hat, ist LOU BARLOW, der Bassist von DINOSAUR JR. Ich hatte gerade erst angefangen Musik zu machen, als ich mir das DINOSAUR-JR.-Album You’re Living All Over kaufte. Die Tape-Kollage mit der das Album endet, ließ mich nicht mehr los. Das waren brandneue Sounds. Ich war begeistert davon, wie BARLOW klaustrophobisches Songwriting mit Noise kombinierte. Ich fertigte meine eigenen Kollagen an, die zwar fürchterlich klangen, sich im Laufe der Zeit aber zu ersten Songwriting-Versuchen entwickelten. Es sollte noch eine Weile dauern, bis ich herausfand, was ich wirklich wollte. Eins ist jedoch klar: CFTPA hätte es ohne LOU BARLOW nicht gegeben.

Dein neues Projekt ADVANCE BASE hat ebenfalls einen großartigen Lo-Fi-Sound. Wie hast du die neuen Songs aufgenommen?

Das ist nett, vielen dank! Bis jetzt habe ich das gesamte ADVANCE BASE Material allein eingespielt. Dabei nutzte ich eine Kombination aus 4-Spur-Kassettenrekorder und Computer.

Hast du bei ADVANCE BASE eine andere Herangehensweise als bei CFTPA?

In gewisser Weise führe ich bei ADVANCE BASE meine bisherige Arbeit fort. Ich probiere aber auch neue Sachen aus: Die Themen meiner Texte haben sich geändert und der Sound ist behutsamer und weniger aggressiv als bei CFTPA. Darüber hinaus geht es nicht mehr primär darum, Musik für Konzerte zu schreiben.

Worum geht es dann?

Um das Aufnehmen von Musik. Das ist der Aspekt, der mir an meiner Arbeit am meisten gefällt. Während meiner Zeit mit CFTPA wurde ich irgendwann richtig besessen von der Effizienz meiner Arrangements und meiner Shows. Ich bin viel getourt, zumeist ganz allein, weshalb alles darauf ausgelegt war, kompakt und tragbar zu sein. Das hatte mit Musik nicht mehr viel zu tun. Anstatt mir also den Kopf darüber zu zerbrechen, wie ich meine Musik live aufführen kann und alles in einem Koffer verstauen soll, bin ich im Moment daran interessiert, Musik aufzunehmen, die ich wirklich mag.

War das auch der Grund, weshalb du mit CFTPA aufgehört hast?

Nicht direkt. Ich wollte ganz einfach noch einmal ganz von vorne anfangen. Ich hatte CFTPA gegründet, als ich 20 Jahre alt war und jetzt, mit 34, kann ich mit den Problemen von damals nicht mehr viel anfangen. Was romantische Beziehungen und Einsamkeit betrifft, bin ich längst nicht mehr so nachdenklich wie früher. Ich bin wirklich stolz darauf, so viele Leute mit meiner Musik erreicht zu haben, aber ich habe momentan nicht mehr dieselbe emotionale Bindung zu den alten Songs. Ich hoffe, dass ich eines Tages das CFTPA-Material dafür wertschätzen kann, was es ist. Doch jetzt will ich erst einmal neue Lieder singen.

Ist ADVANCE BASE eine Ein-Mann-Show oder spielst du mit anderen Leuten zusammen?

Es gibt verschiedene Versionen von ADVANCE BASE. Hier in Chicago ist ADVANCE BASE eine vierköpfige Band, die aus JODY WEINMANN, NICK AMMERMAN und ED CROUSE besteht. Das sind alles Freunde von mir, die gleichzeitig großartige Musiker sind. Ich liebe es mit ihnen Musik zu machen, aber sie haben entweder Jobs, Familien oder andere Verpflichtungen, die sie davon abhalten durchgehend verfügbar zu sein. Das war auch der Grund, weshalb mich mein Bruder GORDON auf Tour begleitet. Ich hoffe, dass wir in Zukunft öfter gemeinsam unterwegs sein können. Da GORDON aber auf der anderen Seite der Staaten lebt, ist es schwer, eine gewisse Regelmäßigkeit in unsere Zusammenarbeit zu bringen. Deshalb bin ich dankbar für jeden Moment, den ich mit GORDON verbringen kann.

Wann und wo wird das erste Album von ADVANCE BASE erscheinen?

Das weiß ich noch nicht. Um ehrlich zu sein, finde ich es gerade sehr angenehm, keine Deadlines zu haben. Da ich bis jetzt noch keine Angebote gekriegt habe, werde ich das Album voraussichtlich auf eigene Faust veröffentlichen. GORDON und ich haben vor kurzem das Label ORINDAL gegründet, auf dem wir bereits einige EPs von ADVANCE BASE und GORDONS Projekt CONCERN herausgebracht haben. Für den Moment ist das mein Label.

(Foto: TOM COPS)

Links:  advance base / concern / orindal / daniel johnston / lou barlow