Tanzen

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CARTOUCHE PARTY / 07. FEBRUAR 2014 / KIM BAR / BRUNNENSTRASSE 10 / 21:30UHR / WERTE & NORMAN (DJ) / MAX LINK (DJ) / SPEX (DJ)

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CARTOUCHE RELEASE PARTY / 21. SEPTEMBER 2013 / NAHERHOLUNG STERNCHEN / BEROLINASTRASSE 7 / 20:30UHR / EASTER (LIVE) / LOOD MAHAMOTI (LIVE) / ALEXANDER WINKELMANN (LIVE) / AA..LL (LIVE) / WARREN O (DJ) / ONLINE BANKING (DJ) / DON’T PANIC BERLIN (DJ) / SHAMELESS/LIMITLESS (DJ) / NO FEAR OF POP (DJ) / SPEX (DJ) / EINTRITT: 6-8 EURO

Links: Facebook-Event / Easter / Lood MahamotiAlexander Winkelmann / AA..LL / Warren O / Don’t Panic Berlin / Shameless/LimitlessNo Fear of Pop / Spex

(Flyer: MARIUS WENKER)

No Fear Of Pop empfiehlt:

RANGERS – Pan Am Stories

Es ist schon wieder Dezember, jener Monat, in dem sich hunderte, ja tausende von Musikjournalisten hierzulande und irgendwo dieselbe Frage stellen, jene Frage, die zu stellen an sich irgendwie schon merkwürdig anmutet, die jedoch in der ganzen Flut von Jahresrückblicken nicht zu stellen schlicht niemand wagt: War 2011 ein gutes Jahr für Musik? Gut im Sinne von bahnbrechend, neudefinierend, relevant?

„Eher nicht“, würde SIMON REYNOLDS wohl entgegnen, einer der profiliertesten Journalisten der Branche, eher nicht, dies ist jedenfalls das Urteil, dass man REYNOLDS‘ jüngstem Werk entnehmen kann, Retromania: Pop Culture’s addiction to its own past, das im Frühsommer erschienen war und das seitdem Schreiberlinge diesseits und jenseits des Atlantiks beschäftigt, in sämtlichen Zeitungen und Zeitschriften, sogar in Deutschland, jenem Land, das an popmusikalischen Diskursen für gewöhnlich nicht teilnimmt und sich lieber dem neuesten Album von ICH + ICH widmet. Das war diesmal anders, jeder wollte dabei sein bei der großen Debatte um REYNOLDS’ Thesen, auch der Spiegel, auch die Spex, und so lässt sich immerhin schon einmal festhalten: Es kann kein ganz irrelevantes Jahr gewesen sein, was den Fortgang der Popmusik angeht, denn immerhin hatten wir endlich wieder was zum Reden.

Was REYNOLDS über fast 500 äußerst angenehm zu lesende, unfassbar informative Seiten ausbreitet ist im Grunde nicht mehr als dies, erstens: Es ist alles schon einmal dagewesen, und zweitens: Auch früher haben sich die Musiker schon auf früher bezogen, und drittens: Nur selten war es anders, neu, aufregend – besser – und zwar während der Ära des Post-Punk Ende der Siebziger und in der Hochzeit des Rave Anfang der Neunziger, wohl nicht ganz zufällig zwei Phasen, die REYNOLDS als junger Mann nicht nur miterlebt, sondern auch mit zwei viel beachteten und gefeierten Büchern gewürdigt hat. Seit ein paar Jahren nun ist die Popmusik endgültig in ihrer eigenen Geschichte gefangen, begünstigt durch das schier unerschöpfliche Archiv namens Internet, Revival reiht sich an Revival, und Innovation ist nur noch eine fade Erinnerung an ein glorreiches, verblasstes Gestern. Und sicher, wer möge da noch widersprechen? Ist die Popkultur das nicht tatsächlich: nur noch rückwärtsbezogen und selbstreferentiell?

Doch auch Rave und Post-Punk kamen nicht aus dem Nichts (letzterer schon gar nicht) – wie jede andere Kulturtechnik auch bezieht sich eben auch in der populären Musik alles Neue immer schon auf eine Matrix aus Referenzen an schon Gewesenes, und erst ein genaues Hinschauen erkennt die unscheinbare Grenze zwischen Retromanie – die man kritisieren mag oder nicht – und Retrophilie, die Reminiszenz als bloßen Ausgangspunkt nimmt für etwas Neues. Etwas solchermaßen Unerhörtes haben auch jene (zumeist amerikanischen) Künstler geschaffen, die der Musikjournalist DAVID KEENAN vor gut zwei Jahren unter den amorphen Begriff des Hypnagogic Pop zusammenfasste, Pop also, der sich im kulturellen Mainstream der Achtziger und Neunziger bedient und mit den Mitteln des Noise verwaschene Klangteppiche vor dem Hörer ausbreitet, um undeutlich erinnerungsgetränkte, traumgleiche Zustände zu evozieren.

Einer der aufregendsten Musiker dieser inzwischen aus dem Underground hervorgetretenen Strömung ist der Texaner JOE KNIGHT, der inzwischen an der Westküste der USA beheimatet ist und der sich dort mit seinem Projekt RANGERS und seinem Künstlerkollektiv BRUNCH GROUPE einen Namen gemacht hat als einer derjenigen, die das Spiel mit den popkulturellen Referenzen verinnerlicht haben und trotzdem – oder gerade deshalb – interessante, spannende und neuartige Popmusik machen. Schon für sein Debüt Suburban Tours (Olde English Spelling Bee, 2010), eine bedrückend-klaustrophobische Reise durch die Vororte sterbender amerikanischer Großstädte, war KNIGHT im letzten Jahr zu Recht euphorisch gefeiert worden.

Das kürzlich bei NOT NOT FUN erschienene zweite RANGERS-Album Pan Am Stories setzt an den verwaschenen Texturen von Suburban Tours an und nimmt auch den Eskapismus des Hypnagogic Pop wieder auf, transzendiert ihn aber zugleich durch Überwindung der losen Form des Genres zugunsten mitunter fast klassischer Popsongs, sogar den Gesang traut sich KNIGHT nun zu. Das Album verharrt auch keineswegs in den Achtzigern, sondern orientiert sich an Topoi sowohl des Soft- als auch des Prog-Rock ab den Siebzigern, an Genres also, die vor wenigen Jahren jeder halbwegs ernstzuehmende Künstler noch unter allen Umständen gemieden hätte. Mit einer Spielzeit von fast 73 Minuten kommt Pan Am Stories sogar vom Umfang her an die großen Konzeptwerke jener Dekade heran. Doch auch jenes „Früher“, das hier sichtbar wird, bleibt kein statischer Bezugspunkt, sondern wird ins „Jetzt“ übertragen, in Musik, die ihren Ort ohne Zweifel im Jahr 2011 hat. Dass dies alles weder sperrig noch unbequem wirkt, sondern im Gegenteil wie aus einem Guss erscheint und überhaupt Popmusik im besten Sinne ergibt, unterstreicht nur noch einmal das immense Talent, mit dem JOE KNIGHT gesegnet ist.

Noch einmal also: War 2011 ein gutes Jahr für Musik? Mit einem Album wie Pan Am Stories kann es zumindest kein ganz schlechtes gewesen sein. Und übrigens: Auch SIMON REYNOLDS ist ein großer Fan von RANGERS.

***

HENNING LAHMANN ist der Kopf hinter No Fear of Pop und schreibt auch sonst hier und da über Musik.

//Manifest

Der Einschnitt, den die Popmusik gegenüber früheren kulturellen Medienformaten darstellt, ist, dass die Leute aus einem Angebot von miteinander konkurrierenden Medien und Formaten etwas zusammensetzen. Sie kennen eine Stimme, öffentliche und inszenierte Bilder, dazu kommt schließlich die Genauigkeit von Studioaufnahmen. All diese Aufnahmen, Recordings, Dokumente und Spuren von Individualität und Pseudo-Individualität werden von Rezipienten gewichtet, verworfen, fetischisiert und zu Sinnkonstellationen zusammengefügt. […] In der Popmusik gibt es keine Instanz, die aus dem Auftauchen von Musikern und Stars im Fernsehen, auf Schallplatte oder auf der Bühne eine Einheit herstellt. Ganz zu schweigen von den Inhalten, die transportiert werden, ist Popmusik eine ziemlich diffuse und inhomogene Produktion.

Mit diesen Worten beschrieb Poptheoretiker DIEDRICH DIEDERICHSEN in Ausgabe #320 von SPEX die Besonderheit der Popmusik. Seit Beginn des digitalen Zeitalters, das mit der flächendeckenden Verbreitung von Breitband-Internetanschlüssen begann, ist der Rezipient gefragter denn je. Jeden Tag laden Bands ihre Lieder auf MYSPACE oder SOUNDCLOUD, verlinken Mp3-Blogs wie das vor kurzem geschlossene MAGISKA Download-Links zu den neuesten Alben, schreiben BloggerInnen wie HENNING von NO FEAR OF POP über ihre Lieblings-Neuentdeckungen. Die daraus resultierende Unübersichlichkeit erschwert nicht nur die persönliche Gewichtung, sondern verlangt zugleich deutlich mehr Aufmerksamkeit.

Schluss mit Ohnmacht

Aber was ist mit den Musikmagazinen, die bisher die notwendige Filter- und Kontextualisierungsfunktion übernommen haben? Sie sind von der Geschwindigkeit und der Datenfülle des Internets schlichtweg überfordert und können deshalb keinen verlässlichen und umfassenden Überblick über das aktuelle Musikgeschehen mehr garantieren. So geschah es, dass CHILLWAVE bis Ende 2010 immer noch ein Fremdwort für deutsche Zeitschriften war, obwohl die Musik von WASHED OUT, TORO Y MOI und NEON INDIAN, die sich hinter diesem Begriff verbirgt, schon im Spätsommer 2009 für große Furore in den einschlägigen Musikblogs wie PITCHFORK sorgte. Der Grund für diese Verspätung dürfte unter anderem in der Abhängigkeit der eben genannten Magazine vom hiesigen Musik- und Anzeigenmarkt liegen. Die Frage, ob über und in welcher Form über eine Platte berichtet wird, hängt nicht zu letzt davon ab, ob eine Anzeige geschaltet wird oder nicht. Da viele amerikanische KünstlerInnen ihre Platten gar nicht in Deutschland veröffentlichen, fallen sie einfach durch das Raster der Musikzeitschriften. Diese Entwicklung ist nicht nur ärgerlich. Sie geht auch diametral mit dem auseinander, was Medien eigentlich leisten sollen: Ihre LeserInnen unabhängig informieren.

Der Mangel an Formaten, mit denen der Geschwindigkeit und der Subjektivität des Internets begegnet werden kann, stellt ein weiteres wesentliches Problem der Musikzeitschriften dar. Alle etablierten Magazine setzen nach wie vor auf Rezensionen, die Objektivität suggerieren, in letzter Konsequenz aber lediglich den Geschmack ihrer AutorInnen spiegeln. Wen aber interessiert es noch, ob ein ALBERT KOCH die aktuellste KAISER-CHIEFS-Platte mag oder nicht? Niemand ist mehr auf die Meinung von MusikjournalistInnen angewiesen. Einzig das Magazin SPEX versuchte mit seinem diskursiven POP-BRIEFING, sich dem Problem zu stellen. Das Format ermöglichte drei bis vier Einstiege in eine Platte. Man war nicht mehr an die Meinung einzelner AutorInnen gebunden, sondern fand gleich mehrere Argumente für oder gegen ein Album. Gleichzeitig rückte der argumentative Charakter des POP-BRIEFINGS den Subtext der besprochenen Platten in den Vordergrund. Umso trauriger ist es, dass SPEX nach dem Rücktritt von MAX DAX das Format umgehend aus dem Heft entfernte.

Der Verfall der Musikmagazine steht exemplarisch für einen Umbruch, dessen vollständiges Ausmaß heute immer noch nicht absehbar ist. Fest steht, dass das Internet nicht nur die alteingesessenen Institutionen der Musikindustrie wie Magazine oder Labels in Frage stellt, sondern auch Formate, Produktions- und Arbeitsweisen: Der einzelne Song ist wieder wichtiger als das Album, die Qualität von Homeproductions kann sich mit der professioneller Tonstudios messen lassen, die Allverfügbarkeit diversester Musiken lädt zum Sampeln und Rekontextualisieren ein.

Mehr als ein digitaler Kleiderschrank

Auch in der Modewelt hat das Internet seine Spuren hinterlassen. Der Erfolg von Streetstyle-Blogs wie FACEHUNTER wäre ohne Standleitung nicht denkbar gewesen. Von den kleineren Nischenmagazinen wie FASHION THEORY oder VESTOJ und den Modeseiten der SPEX einmal abgesehen, vermisst man jedoch eine flächendeckende intellektuelle Auseinandersetzung mit den neuen Modeformen und ihren Einflüssen. Das ist schade, hielt Modedesigner RICK OWENS doch erst vor kurzem fest, dass die Mode die Kunst inzwischen intellektuell überholt habe (Spex #328).

Die etablierten Modemagazine erwecken nicht gerade den Eindruck, sich dieser Aufgabe stellen zu wollen. Sie begnügen sich damit, Hochglanz-Fotostrecken abzudrucken oder eine neue Trendfarbe auszurufen. Dabei unterscheiden sich die redaktionellen Beiträge sprachlich kaum von den vielen Werbeanzeigen, die gemeinsam mit den Duftproben der Marke XY die inhaltliche Leere der Magazine kaschieren.

Leider leisten Modeblogs hier auch keine Abhilfe, fungieren die meisten doch maximal als eine digitale Erweiterung des eigenen Kleiderschranks oder gleich als Catwalk. Natürlich gibt es ein paar nette Blogs wie LESMADS, die zeitnah auf aktuelle Trends aufmerksam machen und über den neuesten Gossip der Modewelt informieren. Blogs, welche die Phänome Street- und Retrofashion in ihrem Wesen analysieren, sucht man allerdings vergebens.

Neue Filter

Es braucht hierzulande also neue und unabhängige Plattformen, die in der Lage sind dort anzusetzen, wo andere versagen. CARTOUCHE. ist der Versuch, diese Lücke auszufüllen und all jene anzusprechen, die sich für eine tiefgründigere Analyse aktueller Phänomene in der Mode und der Musik interessieren. Die beiden Sphären sollen aber nicht nur unabhängig voneinander behandelt werden. Im Gegenteil besteht der Anspruch von CARTOUCHE. darin, Querverbindungen herzustellen und aufzuzeigen. Schließlich gehören Mode und Musik spätestens seit ELVIS PRESLEY untrennbar zusammen.